Sonntag 20.7. 11 Uhr Jazz-Gottesdienst
„Freiheit ist Freude und Licht“
mit Teilen aus Duke Ellington – „Sacred Concert“
Predigt: Dekanin Dr. Marlene Schwöbel
Predigt
„Freiheit ist Freude und Licht“
Gottesdienst
zu Beginn der Bachwoche 2008 in der Heilggeistkirche
(zur Musik: Duke Ellington „Sacred Concert)
Vor
14 Tagen war ich an zwei Tagen im Gefängnis. Wohlgemerkt als Besucher. Für mich
war dies eine sehr eindrückliche Erfahrung. Ich war etwas früh und musste auf
den verabredeten Termin im Besucherzimmer warten. Das Besucherzimmer war von
innen nicht zu öffnen. Die Türen waren verschlossen, Licht drang nur spärlich
ein. Der Raum war winzig. Ganz seltsame Gedanken rasten durch meinen Kopf: was
ist, wenn die mich vergessen haben. Hier ist alles vergittert. Was ist, wenn
mir übel wird? Würde jemand kommen, wenn ich rufe? Nur etwa 10 Minuten war ich
eingeschlossen. Aber diese 10 Minuten haben mich das Geschenk der Freiheit
einmal ganz bewusst erfahren lassen. Später und am Sonntag für die
Gottesdienste, die ausgesprochen gut besucht waren, sah ich die Zellen, den
Hof, der für eine Stunde am Tag frische Luft und Sonnenschein gibt, feierte mit
den Gefangenen Abendmahl. Freiheit. Das ist Freude und Licht. Gefangenschaft,
das ist Bedrängnis und Dunkelheit.
Wie
viele Menschen verbringen Jahre schuldig und unschuldig in Gefängnissen. Der
Kontakt zur Außenwelt, zu Familie und Freunden ist abgeschnitten. Alleinsein
ist Einsamkeit. Der blaue Himmel und der Sternenhimmel sind versagt. Ängste und
Sorgen haben einen guten Nährboden.
Nicht
viele von uns haben Erfahrungen mit einem Gefängnis, dem Gebäude, zu dem
vergitterte, verschlossene Türen und Fenster dazu gehören. Und doch wissen sehr
viele von uns, was es heißt, sich gefangen zu fühlen oder gefangen zu sein.
Gefangen in Angst, gefangen in Armut, gefangen in Vorurteilen, gefangen in
unglücklichen Beziehungen, gefangen in Hass, gefangen in einengenden
Strukturen. Schlimm ist solch eine Gefangenschaft, sie nimmt uns die Luft zum
Atmen, sie verdunkelt die Sonne, sie ertränkt Freude. Freiheit ist Wunsch,
Sehnsucht aller Gefangenen.
Duke
Ellington, 1899 als Amerikaner afrikanischer Herkunft geboren, hat den Ruf nach
Freiheit und diese tiefe Sehnsucht vertont. Drei Arten von Freiheit beschreibt
er:
Die Freiheit, die in Bindung besteht
Die Freiheit, die alle Grenzen überschreitet
Die Freiheit, die mich zu mir selbst führt
Ein
wunderbarer Text aus dem Alten Testament kam mir dabei immer wieder in den
Sinn: Jes 61,1+2
In
diesem Text sind all die unterschiedlichen Verständnisse und Nuancen von
Freiheit enthalten.
1.Freiheit
in Bindung. Jeder Christ fühlt sich gebunden an und in seinem Glauben. Die
Bindung an Gott bestimmt das Reden und Handeln. Diese Bindung gibt einen
Rahmen, der Sicherheit und Orientierung vermittelt. Paradox klingt es, wenn wir
sagen, dass wir durch diese Bindung Freiheit bekommen. Und doch ist es so.
Christen werden frei, nur um sich selbst zu kreisen, sie können andere
Menschen, ihre Not und ihr Glück, ihr Elend und ihre Freude mit in den Blick
nehmen. Der Horizont weitet sich. Deshalb gehört soziales und diakonisches
Engagement zum Christsein dazu. Dieser Gott, der mir Freiheit gibt, gesteht sie
auch anderen Menschen zu. Dieser Gott, der mir eine unantastbare Würde
verleiht, gewährt sie auch anderen. Der Geist des Herrn, wie es im Jesajatext
heißt, spricht zu den Elenden, den Geängsteten, den gefangenen, den Traurigen,
zu denen, deren Herzen zu zerbrechen drohen. Der Geist des Herrn verspricht
Freiheit, weil er Kraft und Energien gibt. Diese Bindung eröffnet ebensolche
Möglichkeiten wie sie „contented prisoners of love“ empfinden können. Hiermit
ist die Liebe gemeint, die mich gefangen hält und nimmt, die mich aber nicht
einengt, die mir Zufriedenheit schenkt, die mir den Blick für das gegenüber,
für den Partner/die Partnerin weitet. Hier stehen die Türen und die Fenster
offen und doch ist Verbindlichkeit frei gewählt.
2.
die Freiheit, die alle Grenzen überschreitet. Freiheit ist „to reach beyond our reach, to reach for
a star“. Die Freiheit nach den Sternen zu greifen, das ist wunderbar.
Nach der Schulzeit mögen manche jungen Leute dieses Gefühl empfinden. Alle
Möglichkeiten stehen offen. Freiheit pur. Die Freiheit zu reisen, die Freiheit
das Leben selbst zu gestalten. Möchten Sie nicht gelegentlich auch nach den
Sternen greifen? In der Politik, im Beruf, in der Kirche, in der Gestaltung von
Gesellschaft? Nach dem Ende von Diktaturen greifen Menschen nach den Sternen.
So fern schien dieses Ziel der Freiheit. Ich denke an Menschen, die sich in
Simbabwe, in Birma, in Tibet nach Freiheit sehnen. Unerreichbar wie ein ferner
Stern ist die Freiheit. Aber sie leuchtet, sie ist das Ziel. Es gibt sie. In
unseren Kirchen sehnen wir uns nach der Freiheit eines christenmenschen, nach
der Freiheit, die die Fesseln von Bosheiten sprengen kann, die Achtung vor dem
Leben, sei es jung oder alt hochhält, ohne dass an Geld, Belastung oder
Einschränkung von Eigenbestimmtheit gedacht wird. Auch hier ist es ein Griff
nach den Sternen, wenn wir daran festhalten, dass zerbrochene Herzen verbunden
werden können, dass den Elenden gute Nachrichten gebracht werden kann, dass
Gemeinschaft mit Wertschätzung gelebt werden kann. Der Geist des Herrn erlaubt
uns, ermutigt uns zu dem Griff nach den Sternen.
Ein wunderbares Geschenk ist es, wenn die Freiheit mich zu
mir selbst führt, mich mit mir selbst zur Versöhnung hilft, wenn ich mit mir
selbst barmherzig sein kann „to go about the business of becomig what we
already are“. Wer von uns macht keine Fehler? Wer leidet nicht manchmal unter
dem, was er/sie sagt oder tut, wer ist sich nicht gelegentlich unsicher über
eingeschlagenen Wege. Wie häufig sehne ich mich danach, ausgeglichener zu sein,
geduldiger, getroster, wie oft möchte ich aus meiner Haut schlüpfen in die Haut
einer Person, die erfolgreich, zufrieden, glücklich, dankbar ist. Viele
Persönlichkeiten kämpfen in mir. Wer bin ich? Kann ich mich selbst so annehmen
wie ich bin? Das ist ein ständiger Kampf in Menschen. Mich mit meinem Namen,
mit meiner Persönlichkeit auszusöhnen, das verleiht unglaubliche Freiheit. Ich
muss mich nicht ständig vergleichen mit anderen, ich muss nicht ständig
neidisch oder unzufrieden auf die Gaben von anderen schielen, sondern kann
meine neu entdecken und schätzen und einsetzen, für mich und für andere.
Freiheit so zu werden wie ich schon lange bin, diese Freiheit sagt Gott uns in
der Taufe zu. Und diese Freiheit lässt auch Veränderungen, neue Einsichten zu.
Gott hat uns Barmherzigkeit geschenkt, so kann ich mir und anderen auch
Barmherzigkeit weitergeben.
Freiheit, ein Wort,
das leise voll Dankbarkeit geflüstert wird, das laut fordernd herausgeschrieen
wird.
In Bindung, mit
Liebe, in der Versöhnung mit mir selbst schenkt Gott uns Freiheit, erfahren wir
die Öffnung von Gefängnissen. Freude und Licht können dann in uns und um uns
herum zum Strahlen kommen.
„Freedom can even be good fun“. Es
gibt sogar die Freiheit zum Lachen und zur Freude.
Amen
Predigt:
Dekanin Dr. Marlene Schwöbel
marleneschwoebel@web.de