Predigt von Dekanin Marlene Schwöbel-Hug am Ostersonntag 2015 zum Kantatengottesdienst „Christ lag in Todesbanden“ BWV 4 von Johann Sebastian Bach Liebe
Gemeinde, Ostern
ist ein fröhliches Fest. Der Frühling beginnt, es wird wärmer, das Grau des
Winters lassen wir langsam aber sicher hinter uns. Die Sonne bekommt wieder
mehr Kraft. Ostern verbinden wir alle, ob Christen oder Nichtchristen mit neuem
Leben. Die Natur erwacht wieder. Alles wird irgendwie neu. In England hatte man
die Tradition, dass die Frauen sich für Ostern einen Easter bonnett kauften,
einen neuen Hut, der zu Ostern in der Kirche getragen wurde. Dunkle Farben
verschwinden in den Schränken, jetzt ist es Zeit für Farbe. Als
Christen feiern wir die Auferstehung Jesu, bei der auch neues Leben,
Farbigkeit, Licht und Freude im Vordergrund stehen. Karfreitag ist überwunden.
Jetzt ist das Lachen über den Tod dran, der sogenannte risus paschalis, das
Osterlachen, das wir in jedem Halleluja singen. Ostern ist beschwingt und
fröhlich. Das
soll und darf so sein. Und doch müssen wir überlegen, welchen Grund wir als
Christen abgesehen von dem Erwachen der Natur für unsere Freude und unser
Feiern haben. Diesem Grund geht die Bachkantate „Christ lag in Todesbanden“
nach. Ja, ich hätte mir auch einen schöneren, freudigeren Titel gewünscht, aber
die Kantate erzählt die Geschichte der Auferstehung, die am Karfreitag beginnt
und diesen Tag theologisch ganz eng mit Ostern verwebt. Sie ist nah an der
Ostergeschichte, die wir im Markusevangelium gehört haben. Natürlich ist Ostern
ein buntes, schönes Fest, aber es ist auch ein Fest, das zum Nachdenken anregt.
In einem Buch über religiösen Humor habe ich gelesen: Ein Christ und ein Atheist treffen sich. Fragt der Christ: „was bedeutet dir Jesus?“ Der Atheist: „Ach, der ist für mich gestorben“. Der Christ: „für mich auch“. Genau
um diese Theologie, die so ungemein schwer verständlich ist, geht es in der
Bach Kantate, die Bach übrigens zu Martin Luthers Text (EG 101) komponiert hat.
Alle Strophen dieses Liedes werden theologisch musikalisch durchdrungen in
einer Art und Weise, über die wir heute nur staunen können. Musik und Text bilden ein Ganzes. Die
dunklen Farben des Leidens und des Opfertodes Jesu werden gegenüber den hellen
von Ostern musikalisch kontrastiert. Die gesamte Kantate ist ein Kreis, der
sich schließt, wo Tod und Leben ihren je eigenen Part haben, das Leben aber am
Schluss ganz eindeutig den Sieg behält. Die
Kantate beginnt mit Karfreitagsworten und endet mit Ostern. Die Härte des Todes
und das Leid werden dabei nicht verschwiegen. Jesu Tod wird, wie in dem
Wortwechsel zwischen Atheist und Christ, als Tod für die Menschheit verstanden.
Jesus hat den Tod mit all seiner Zerstörung niedergekämpft. Mit seinem Tod ist
die Sünde als unüberwindbare Trennung von Gott überwunden. Der Vers 1 des
Liedes fasst das alles zusammen. Jesus ist für uns gestorben, hat dem Tod die
ewige Macht genommen, ist auferstanden und hat ewiges Leben gebracht. Das ist
Grund zum Fröhlich Sein, zum Loben Gottes und zum Verlachen der Macht des
Todes. Bei dieser gebündelten Theologie und diesem festen Glauben lacht das
Herz der Theologin. Gleichzeitig weiß ich natürlich auch, dass diese Theologie,
dieser feste Glaube nicht leicht zu halten und durchzuhalten sind. Und doch ist
das die Osterbotschaft: Gottesferne, Hass, Gewalt, Neid, alles Dunkle, auch
tiefste Trauer hat Jesus in seinem Tod auf sich genommen und mit in den Tod
gerissen. Das ist christlicher Glaube. Hier wird eine Opfertheologie
entwickelt, die natürlich Dramatik hat, aber dennoch keine Schwere ausstrahlt.
Jesus wollte für die Menschheit die Gottesferne vernichten, freiwillig. Er
wollte, dass andere leben und eine Nähe zu Gott bekommen können, die durch
Schuld und Sünde oft verdeckt wird. Mit seinem Tod ist die ewige Macht all
dessen, was zerstörerisch wirkt, mit gekreuzigt. Aber
- wo spüren wir das in einer oft zerrissenen Welt? In den vergangenen Wochen
und in den vergangenen Jahren sieht und sah es oft ganz anders in unserem Land
und weltweit aus. Tote beim Flugzeugabsturz, getötete und verfolgte Christen,
Konflikte und Kriege überall. Wie sollen wir damit umgehen?
Karfreitagserfahrungen sind oft deutlicher als Ostererfahrungen. Und dagegen
steht die Zusage von einem Trozdem , von Leben und ein heller Hoffnungsschimmer
leuchtet. Auch wenn es oft so aussieht als ob der Tod und die Gewalt die
Oberhand behalten, es bleibt nicht dabei. Ohne Ostern könnten wir das Leben oft
nicht ertragen. Der Osterglaube ist ein Glaube, der sich immer wieder neu für
Zukunft einsetzt, für Versöhnung, der
nicht aufgibt, wenn sich dunkle Schatten auszubreiten drohen. Es ist ein
Glaube, der auf friedliche Revolutionen hofft und sich diese als Ziel vor Augen
hält, es ist ein Glaube, der in Verhandlungen bereit ist, weiter zu ringen um
gute Ergebnisse und nicht aus Wut oder
Ärger alles abbricht. Es ist ein Glaube, der immer noch und weiter an den Sieg
des Lebens glaubt und daran festhält. Das ist eine Einstellung, das sind Werte
und Hoffnungen, die das Christentum weiter geben kann an die Welt und in die
Welt und die Gesellschaft hinein. Das ist eine Botschaft, deren wir uns nicht
schämen müssen, sondern die wir mit erhobenem Kopf und vollem Herzen vertreten
können. Konstruktives Miteinander und Leben stehen hier im Mittelpunkt. Es ist
ein Glaube, der sich in einer humorvollen Weise so ausdrücken lässt wie ich es
in dem Buch über religiösen Humor las: Der Hohepriester Kaiphas
fährt Joseph von Arimathia an, der dem Leichnam Jesu sein Grab zur Verfügung
gestellt hat: „was, du hast diesem Galiläer dein Grab geborgt“? Joseph von
Arimathia :“ja, hab ich… aber nur übers Wochenende“. Ja,
der Tod existiert. Er scheint oft die Macht zu behalten, er ruft Trauer und
Angst, Schrecken und Verzweiflung hervor, aber er wird überwunden. Nach dem
Wochenende ist Jesus auferstanden. Das ist die Botschaft von Ostern. Für mich
ist in der Kantate der schönste Vers der Vers sieben: So feiern wir das hohe Fest mit Herzensfreud und Wonne, das uns der Herre scheinen lässt. Er selber ist die Sonne, der durch seiner Gnade Glanz erleuchtet unsere Herzen ganz. Der Sünden Nacht ist verschwunden. Halleluja Hier
scheint Ostern hell, bunt, fröhlich und tröstlich mit allen Hoffnungsstrahlen,
die es auf der Erde gibt. Amen |